Deutsch-Kanadisches

Luftwaffenmuseum e.V.

Fiat G-91

 

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Guide´s Facts on G91 „Gina“
Allgemeines
Die Fiat G.91 (ab 1969: Aeritalia G.91) war ein zu Beginn der Produktion ein-, später
zweistrahliges Kampfflugzeug der Zeit des Kalten Krieges. Die Maschine wurde von Fiat
Aviazione (Fiat Avio) in Italien entwickelt und sollte ursprünglich innerhalb der NATO
das US-Flugzeug North American F-86 Sabre ersetzen. Das „G“ steht für den Fiat-Avio-
Chefkonstrukteur Giuseppe Gabrielli (1903–1987).
Nach der Fusion von Fiat Aviazione mit anderen italienischen Flugzeugherstellern zu
Aeritalia S.p.A. im Jahre 1969 änderte sich die Bezeichnung in Aeritalia G.91.
Geschichte
Die Maschine ging als Sieger einer Ausschreibung der NATO vom Dezember 1953 für
ein leichtes Jagd- und taktisches Unterstützungsflugzeug hervor.
Der Erstflug des ersten Prototyps fand am 9. August 1956 durch Riccardo Bignamini
statt. Er stürzte während eines Hochgeschwindigkeitstestflugs am 20. Februar 1957 ab. Es
folgte ein zweiter, mit vergrößertem Leitwerk, vergrößerter Cockpithaube und
zusätzlicher Kielflosse ausgestatteter Prototyp, der am 26. Juli 1957 erstmals flog. Alle
weiteren Tests, die ab dem 16. September 1957 in Frankreich durchgeführt wurden,
bestand das Flugzeug problemlos.[1] Die Fiat G.91 stellte dort vor allem auch unter
Beweis, dass sie in der Lage war, von Graspisten abzuheben und zu landen, eine
besondere Forderung des Lastenheftes im Rahmen der Ausschreibung.
Obwohl die G.91 das Vergleichsfliegen 1958 gegen die Konkurrenzmuster für sich
entscheiden konnte, wurde sie – wohl aus politischen Gründen – nie zu einem
Standardflugzeug innerhalb der NATO, sondern lediglich von Italien und der
Bundesluftwaffe in größeren Stückzahlen beschafft. Später wurde sie auch in der Força
Aérea Portugals eingesetzt. Auf Grund eines 1959 geschlossenen Abkommens mit Fiat
Avio wurde als Lizenzbau eine Anzahl G.91 in der Bundesrepublik bei der Messerschmitt
Flugzeug-Union Süd GmbH (MTT-FUS) in Zusammenarbeit mit der Dornier-Werke
GmbH gefertigt; damit war die G.91 das erste strahlgetriebene Flugzeug, das nach dem
Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland hergestellt wurde.
Zunächst wurde die G.91 als Erdkampfflugzeug mit der Bezeichnung G.91R gebaut, erste
Auslieferungen erfolgten Anfang 1958.
Das Flugzeug hatte bei den Piloten einen guten Ruf und galt als leicht zu beherrschen.
Die G.91 wurde von ihren Besatzungen auch „Gina“ genannt.
Die Bundesluftwaffe verlor 70 Maschinen, hauptsächlich wegen Triebwerkversagens. Da
man die Vielseitigkeit dieses Modells jedoch recht hoch einschätzte, wurde es in
verschiedenen Versionen auch als leichter Bomber zur Luftnahunterstützung sowie zur
Aufklärung eingesetzt. Die letzten Maschinen wurden 1982 bei der Bundesluftwaffe
ausgemustert.
Nachfolger des Flugzeugs in der Luftwaffe wurde die französisch-deutsche Entwicklung
Alpha Jet.
Einsatz
Die einzigen Kampfeinsätze sah die G.91 im Portugiesischen Kolonialkrieg, insbesondere
in Guinea-Bissau, wo sie von Portugal als Aufklärer und als Erdkampfflugzeug eingesetzt
wurde. Dabei kam auch Napalm zum Einsatz. Die UdSSR lieferte der
Unabhängigkeitsbewegung 1973 Strela 2 Boden-Luft-Raketen, mit denen insgesamt
sieben G.91 abgeschossen wurden; insgesamt gingen elf Maschinen verloren.
Seit 1968 waren G.91 auch in Mosambik stationiert. Die dortige
Unabhängigkeitsbewegung besaß ab 1973 ebenfalls Strelas, erzielte jedoch keinen
Abschuss. Portugal verlor auf diesem Kriegsschauplatz lediglich ein Exemplar durch
einen Unfall. Gegen Ende der Kolonialkriege wurden dann auch noch in Angola G.91
stationiert.
Technik
Gefordert war in der NATO-Ausschreibung von 1953 ein leichtes einsitziges
Erdkampfflugzeug mit einer zweisitzigen Trainer-Variante. Da FIAT schon zuvor die
North American F-86 Sabre in Lizenz für Italien gefertigt hatte, war eine aerodynamische
und technische Verwandtschaft zu ihr unverkennbar. Auch die Fertigungsqualität war für
die damalige Zeit sehr gut und die Absturzrate in ihrer aktiven Einsatzzeit auf Grund des
einfachen und sehr soliden Aufbaus bemerkenswert niedrig.
Die Zelle war in Halbschalenbauweise aus Aluminium gefertigt. Die Tragflächen mit
maximal vier Unterflügelstationen waren in der Mitte geteilt und beidseits am Rumpf
angeschraubt. Das Heck konnte zu Montage- und Wartungsarbeiten in Höhe der
Turbinenstufe des Triebwerkes mit vier Schrauben schnell vom Rumpf abgetrennt und
nach hinten abgezogen werden. Dadurch war die Maschine sehr leicht, preiswert und
modular zu fertigen, was der Wartungsfreundlichkeit zugutekam. Das Cockpit erlaubte
mit dem großen Plexiglas-Kabinendach eine hervorragende Rundumsicht, besonders nach
hinten. Die Ruder wurden ohne zusätzliche Kraftunterstützung direkt vom Steuerknüppel
bzw. durch Pedale über Schubstangen und Umlenkhebel angesteuert. Die
Höhenrudertrimmung wirkte, wie gut zehn Jahre zuvor bei der Me-262, durch einen
elektrischen Stellmotor auf das gesamte Höhenruder. Die Landeklappen wurden
(ausgeführt als hochwirksame Fowlerklappen) mit je einer elektrisch angetriebenen
Gewindespindel in zwei Führungen nach hinten unten ausgefahren. Die Trimmung des
Querruders erfolgte ebenfalls elektrisch. Vorflügel (Slats) waren nicht vorhanden. Die
Querruder waren verhältnismäßig groß, was sich in einer guten Wendigkeit und hohen
Rollrate widerspiegelte. Die unter dem Rumpf angebrachten zwei großen Bremsklappen
wurden hydraulisch mit einem Zylinder gekoppelt betätigt. Durch diese Positionierung
behinderten die ausgefahrenen Klappen den Piloten nicht bei der Sicht nach hinten. Das
Dreibein-Bugradfahrwerk war ebenfalls hydraulisch betätigt. Das Fahrwerk konnte
zusätzlich noch mit Stickstoff im Notbetrieb ausgefahren werden. Der Zylinder des
Bugfahrwerkes war selbstverriegelnd und somit in seiner Endlage auch ohne Druck sicher
fixiert. Aus Platzgründen wurde das Bugrad wie bei der späteren F-16 beim
Einschwenken automatisch um 90° verdreht. Der Hydraulikdruck wurde vom Triebwerk
geliefert. Es war der damaligen Zeit entsprechend als Turbojet- und nicht als
Mantelstrom-Triebwerk ausgeführt. Es war einfach in Aufbau und Wartung und im
Verhältnis zum Schub sehr laut. Das Einwellen-Axialtriebwerk Bristol-Siddeley Orpheus
hatte keinen Nachbrenner.
Der Pilot konnte sich im Notfall mit einem Schleudersitz des britischen Herstellers
Martin-Baker aus dem Flugzeug katapultieren. Zuvor wurde die Plexiglaskanzel
abgeworfen. Dazu war eine Mindestgeschwindigkeit und -höhe notwendig.
Das niedrige Gewicht (nur ca. 5,5 Tonnen Gewicht bei ca. zwei Tonnen Schub) und das
robuste Fahrwerk erlaubten die geforderten Starts und Landungen auf Graspisten. Dies
wurde aber, der hohen Belastung und des Risikos wegen, in der aktiven Zeit nur extrem
selten durchgeführt. In Deutschland flog die G.91 bis Anfang der 1980er-Jahre als
Jagdbomber und später noch als Zielschleppflugzeug beim Condor Flugdienst. Beim
Zielschlepp war die R/3 unbewaffnet. Anstelle der zwei 30-mm-Kanonen rechts und links
des Cockpits wurden dann Stahlgewichte eingebaut, um den Schwerpunkt zu halten.
Die im Verhältnis zu US-amerikanischen Mustern der damaligen Zeit sehr kleine Zelle
erlaubte nicht den Einbau einer komplexen Avionik, Navigation oder gar eines
Radargerätes. Somit war die Ausrüstung mit komplexer Bewaffnung wie radargelenkten
Raketen, deren Entwicklung in den 1960er-Jahren bereits weit fortgeschritten war, nicht
möglich. Mit zwei abwerfbaren Außentanks war die Reichweite für europäische
Verhältnisse zwar ausreichend, aber auf dem nordamerikanischen Kontinent und global
zu gering. Diese Einschränkungen hatten zur Folge, dass die USA ihre bestellten 50
Maschinen noch vor der Auslieferung an Deutschland abtraten.
Versionen
G.91PAN
Kunstflugtaugliche Variante für das italienische Kunstflugteam Frecce Tricolori.
Abgeleitet aus Vorserienmodellen, deren Rumpf verstärkt wurde. Ohne Bewaffnung und
Kameranase, dafür mit mehrfarbigen Rauchgeneratoren und kleinen Außentanks als
Ballast. 20 Maschinen wurden anfänglich umgebaut, später auch R/1 zurückgerüstet.
G.91R
G.91R/1
Schon recht früh wurde die Eignung der G.91 zum Umbau als Fotoaufklärer erkannt. So
entstand bereits 1957 die Variante G.91R/1, eine Standard-G.91 mit leicht verkürzter
Nase und ausgestattet mit drei 70-mm-Kameras für Front- und Schrägaufnahmen (in
großer Höhe auch für Senkrechtaufnahmen geeignet).
Zehn dieser Maschinen wurden Anfang der 1960er-Jahre von der US Air Force getestet.
Eine als G.91R/1A bezeichnete Ausführung war eine mit zusätzlichen
Navigationsgeräten und zusätzlichen Waffenträgern an den Tragflächen ausgestattete
G.91R/1.
Als G.91R/1B war eine G.91R/1 mit verstärkter Zelle sowie einem geänderten Fahrwerk
(stärkere Radbremsen und schlauchlose Reifen) bezeichnet.
G.91R/3
Die bundesdeutsche Luftwaffe forderte nach Tests der G.91 leichte Veränderungen
hinsichtlich der Bewaffnung (die MGs wurden durch zwei 30-mm-Kanonen ersetzt) und
der Navigationsgeräte. Von den insgesamt 344 gefertigten G.91R/3 wurden 270 Stück im
Rahmen des Lizenzabkommens mit Fiat Avio in der Bundesrepublik hergestellt. Der
Jungfernflug der ersten bei Dornier gefertigten G.91R/3 erfolgte am 20. Juli 1961, die
Produktion endete im Mai 1966.
G.91R/4
Bei der R/4 handelte es sich um eine R/3 mit der waffentechnischen Ausstattung der R/1.
50 dieser Maschinen wurden ursprünglich von den USA erworben, kamen jedoch
letztlich zur deutschen Bundesluftwaffe. 40 Maschinen erhielt die portugiesische
Luftwaffe.
G.91T
Die G.91T war eine zweisitzige Version des Grundmusters, entwickelt als
Ausbildungsflugzeug, jedoch auch zur Verwendung als zweisitziges Kampfflugzeug.
Begonnen wurde mit der Entwicklung dieser Variante im Jahre 1958, der Erstflug war
am 31. Mai 1960. Als G.91T/1 erhielt die italienische Luftwaffe 76 dieser Flugzeuge. 66
leicht modifizierte und als G.91T/3 bezeichnete Maschinen gingen an die bundesdeutsche
Luftwaffe, davon wurden 22 Exemplare bei Dornier gefertigt.
Diese Variante hatte wegen des verlängerten Vorderrumpfes die Eigenart, dass öfters aus
unerfindlichen Gründen das Bugfahrwerk verklemmte. Die Piloten wurden auf solche
Notlandungen vorbereitet, die im Ernstfall auch völlig unspektakulär abliefen. Bei
richtiger Steuerung (wenn der Pilot nicht bremste und den Flugzeugbug bis zum Schluss
hochhielt) wurde der vordere Rumpf (der Triebwerkeinlass) im unteren Bereich nur 3 bis
4 cm eingedrückt und abgeschliffen. Diese Teile wurden ausgenietet und in Stunden
durch einen von Dornier entwickelten Reparatursatz ersetzt, sodass das Flugzeug nach
einer Inspektion wieder einsatzfähig war.
Geplant war auch eine als T/4 bezeichnete Variante, eine T/1, die mit der Avionik des
Lockheed F-104 „Starfighter“ ausgestattet werden sollte. Zum Bau der T/4 kam es jedoch
nicht.
G.91 Y
Fiat/Aeritalia G.91Y
G.91Y
Im Jahre 1965 wurde bei Fiat Avio mit der Entwicklung einer zweistrahligen Version der
G.91 begonnen, die auf der Variante G.91T basierte und mit zwei General-Electric-
Turbinen ausgerüstet war. Mit dieser Konfiguration wurde eine Leistungssteigerung von
etwa 60 % erreicht, außerdem stand bei einem Triebwerksausfall die zweite Turbine zur
Verfügung. Nach dem Bau zweier Prototypen, die sich von den später gebauten
Exemplaren durch ein breiteres Heck mit Kielflossen unterschied, entschloss sich die
italienische Luftwaffe, diesen Typ zu beschaffen. Zunächst wurde eine Stückzahl von 55
Maschinen bestellt. Später wurde die Anzahl zwar auf 75 erhöht, letztlich wurden von der
„Yankee“ genannten G.91Y 67 Exemplare (2 Prototypen, 20 Vorserienmaschinen, 45
Serienmaschinen) produziert. Die erste Maschine der Vorserie flog im Juli 1968, die
letzte Serienmaschine wurde Mitte 1976 ausgeliefert; in Dienst waren die „Yankees“ bis
in die frühen 1990er-Jahre.
Weitere geplante Varianten, die aber nicht über das Entwicklungsstadium hinaus kamen,
waren die G.91Y/T, ein zweistrahliger Zweisitzer für Ausbildungszwecke, und die
G.91Y/S, eine Version auf Grund einer Ausschreibung der schweizerischen Luftwaffe.
Technische Daten
Typ G.91 R/3 G.91 T G.91 Y
Konzeption Erdkampf- und
Aufklärungsflugzeug Strahltrainingsflugzeug Jagdbomber- und
Aufklärungsflugzeug
Erstflug 9. August 1956
(Prototyp) 31. Mai 1960 27. Dezember 1966
Spannweite 8,56 m 8,56 m 9,01 m
Länge 10,30 m 11,67 m 11,67 m
Höhe 4,00 m 4,45 m 4,43 m
Flügelfläche 16,42 m² 16,42 m² 18,13 m²
Leergewicht 3.100 kg 3.865 kg 3.682 kg
Startgewicht 5.500 kg 5.500 kg 7.800 kg
Antrieb
eine Strahlturbine
Bristol-Siddeley
Orpheus 803
Turbojet (Lizenz
FIAT, 22,2 kN)
eine Strahlturbine
Bristol-Siddeley
Orpheus 803 Turbojet
(Lizenz FIAT,
22,2 kN)
zwei Strahlturbinen
General Electric
J85-GE-13A (je
12,1 kN, mit
Nachbrenner
18,1 kN)
Höchstgeschwindigkeit
1.075 km/h
(Mach 0,88) in
Bodennähe,
1.086 km/h
(Mach 0,91) in
1.500 m Höhe
1.030 km/h in 1.524 m
Höhe
Mach 0,93 in
Bodennähe
Marschgeschwindigkeit 850 km/h 850 km/h Mach 0,75
Dienstgipfelhöhe 13.100 m 12.200 m 12.500 m
Überführungsreichweite 1.800 km[5] 1.800 km 3.500 km
Bewaffnung
zwei 30-mm-
Kanonen DEFA mit
je 125 Schuss
vier Außenstationen
unter den
Tragflächen
zwei 12,7-mm-MGs
Colt Browning
zwei Außenstationen
unter den Tragflächen
zwei 30-mm-
Kanonen DEFA
vier Außenstationen
unter den
Tragflächen
Besatzung 1 2 1

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